MM_Brecht
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3. Mai 2015, 21:07 Uhr, Geschrieben von Miriam Meckel

Chance vertan

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Deutschland braucht starke Banken. Die Deutsche Bank zeigt: Skandale, Marktlage und Regulierung verhindern den Wandel.

Erwartet war Heilung, heraus kam Erste Hilfe. Monatelang hat die Deutsche Bank an einer neuen Strategie gearbeitet, gedacht als Befreiungsschlag nach Jahren, geprägt durch Finanzkrise, Steuerbetrugsskandal in den USA, Libormanipulation und mutmaßlichen Prozessbetrug. Nun werden das Investmentbanking und das Filialnetz geschrumpft, und das Kind Postbank wird mit dem Bad ausgeschüttet.

Die deutsche Wirtschaft braucht eine radikal neu aufgestellte Deutsche Bank. Aber wie? Sich konsequent als globales Finanzinstitut positionieren, sich dazu vom Privatkundengeschäft und wohl auch vom großen D im Namen verabschieden, das wäre eine Variante gewesen.

Sich auf ihre Kernaufgabe rückbesinnen, den Zahlungs-, Kredit- und Kapitalverkehr für die Realwirtschaft anzubieten? Die bislang operativ zähe und unvollständige Integration der Postbank endlich konsequent umsetzen und zur großen deutschen Universalbank werden. Das wäre die andere Variante. Die bedeutet: weniger Eigenhandel – mehr Eigenheimfinanzierung. Das ist weniger sexy, denn man muss sich ständig mit den „Muppets“ (Deppen) rumschlagen, wie Top-Manager bei Goldman Sachs einst ihre Kunden bezeichneten. Aber es wäre ein klares Bekenntnis gewesen zum Heimatmarkt und ein Zeichen für die Wiederentdeckung der Verbindung zwischen Kapitalmarkt und Realwirtschaft.

Wenn die Winde des Wandels nicht durch die Hallen der Deutschen Bank fegen, dann liegt das auch an dem Dilemma, in dem die Bank steckt. Regulierung verhindert das Modell Investmentbank durch immer weitere Vorgaben. Bei Eigenkapitalquote und Verschuldungsquote gehen die Anforderungen weiter nach oben, und das Ende ist nicht erreicht, wie die EU-Kommission längst bekundet hat. Ein Stresstest der Europäischen Zentralbank (EZB) soll gezeigt haben: Als reine Investmentbank würde die Deutsche Bank eine Finanzkrise nicht überleben.

Geldpolitik blockiert das Modell Universalbank. Die Banken verdienen im Privatkundengeschäft zu wenig Geld, können nicht einmal mehr ihre Kapitalkosten refinanzieren. Da sich an der Niedrigzinspolitik der EZB sobald nichts ändern wird, wird die Luft immer dünner. Die Trennung von der Postbank bedeutet für die Deutsche Bank auch schlicht: weg mit dem Geschäft, das hart auf die Bilanz durchschlägt, aber wenig Erträge bringt.

Das alles stimmt, aber daraus wird keine Strategie. Auch wer in einem Dilemma steckt, muss sich entscheiden. Das hat die Deutsche Bank nicht getan. Für die deutsche Wirtschaft ist das schlecht. Unternehmen brauchen funktionierende, leistungsfähige Banken, die Kredite vergeben, Investitionen finanzieren und Risiken absichern. Besonders der Mittelstand weiß davon ein Lied zu singen. Soll die Finanzierung der deutschen Wirtschaft nicht in andere Länder abwandern, müssen die Banken sich grundlegend verändern können und wollen.

Wie aber soll auch eine strategische Neuausrichtung gelingen, wenn die Führungsriege der Bank gleich an mehreren Fronten um Ruf oder gar Überleben kämpft. Zwischen Milliardenstrafen wegen Zinsmanipulation und einer Anklage wegen versuchten Prozessbetrugs wird es für die echte Neuorientierung eng. Schlechter hätte der Zeitpunkt für eine neue Strategie nicht gewählt sein können. Der Befreiungsschlag wurde zum lauen Lüftchen, verweht von der Hand, die nur Bestehendes zurechtrückt.

Die Folgen werden sich mittelfristig zeigen. Nationale Zusammenschlüsse zur Stärkung des Standorts sind in Deutschland kaum vorstellbar. In Europa wollen wir uns das lieber gar nicht vorstellen. Dann werden eben die Chinesen kommen und sich im deutschen Markt bedienen. Wer den wirtschaftlichen Expansionsdrang gleich vor Ort finanzieren kann, hat die besten Karten.

Too big to change. Das ist heute das Problem der Deutschen Bank. Morgen wird es zum Problem der deutschen Wirtschaft.

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