Die Lehre aus Griechenland: Europa braucht eine Wirtschaftsregierung. Der Weg dahin geht nur über ein Referendum.
Aus der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers haben die EU-Staatschefs, EU-Kommission und IWF eines gelernt: Kauf dir Zeit für schwierige Entscheidungen. Das ist im Fall Griechenland teuer geworden. Etwa 200 Milliarden Euro hat das Land bei der EU auf dem Deckel. Soll nicht alles abgeschrieben werden, muss wenigstens unter dem Strich etwas herauskommen.
Die Lehman-Pleite hat nicht nur die Finanzbranche verändert. Angst vor der Kettenreaktion hat auch die EU in Gestaltungslähmung versetzt und erpressbar gemacht. Während in der Finanzbranche Stresstest und verschärfte Eigenkapitalquoten für besseres Risikomanagement sorgen, pflegte Europa vor und nach Lehman einen lässigen Umgang mit vergleichbaren Vorgaben. Die Regeln des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts, nach denen die Neuverschuldung nicht mehr als drei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt betragen darf, hat Griechenland kontinuierlich, aber auch Deutschland schon einige Male gerissen. Die Lehre aus dem Griechenland-Debakel lautet: höhere Fiskaldisziplin verbunden mit regelmäßigen Stresstests für die Mitgliedstaaten.
Seit Lehman und den Folgen arbeiten die Finanzaufseher viel stärker zusammen. Das gilt für die Behörden innerhalb der einzelnen Staaten, aber auch international für den Austausch im Rahmen des Finanzstabilitätsrats. Natürlich ist Griechenland seit Jahren Dauerbrennerthema im Ecofin, dem Europäischen Rat der Wirtschafts- und Finanzminister. Vieles aber wird dort politisch ausgekungelt. Dringlichste Aufgabe ist es nun, eine Insolvenzordnung für Staaten innerhalb der EU auszuarbeiten, damit Griechenland ein Ausnahmefall bleibt.
Europa ist seit Lehman auf dem Weg zur Europäischen Bankenunion. Unterwegs haben einige noch immer viel Mist gebaut. Aber die drei Säulen – einheitliche Bankenaufsicht durch die EZB, einheitliche Bankenabwicklung und gemeinsame Einlagensicherung – sollen sicherstellen, dass sich eine Lehman-Pleite nicht wiederholen kann. Der letzte Punkt ist sensibel und auch der schwerste Schritt in der politischen Analogie, denn er läuft auf eine gemeinsame Wirtschaftsregierung hinaus. Die ginge auf Kosten der nationalen Aufgaben und Befugnisse der einzelnen EU-Staaten und stößt daher auf viel Widerstand, vor allem auch auf verfassungsrechtliche Bedenken. Deshalb geht der Weg dahin nur über einen Schritt: das Referendum.
Es stimmt: Das kann schiefgehen. Dann muss Europa mit einem deftigen Rückschlag fertig werden. Aber was ist der faule Kompromiss anderes, der sich nun seit mehr als fünf Jahren im Umgang mit Griechenland anbahnt? Die Menschen sind nicht doof. Sie haben längst verstanden, dass die griechische Lösung dem Motto folgt: Was nicht passt, wird passend gemacht. Ein Staatenbund, der auf solche Camouflagespielchen angewiesen ist, nimmt seine Bürgerinnen und Bürger nicht ernst. Er darf sich nicht wundern, wenn die im Gegenzug die Volten der Politik nicht mehr für voll nehmen.
Wenn Griechenland zu etwas gut gewesen sein soll, muss die EU einen nächsten Schritt der Integration bei gleichzeitiger Absicherung tun. Dazu bedarf es der Zustimmung im Volk über ein Referendum. Ansonsten bleibt von Griechenland ein Bündel teurer Scheinrechnungen. Und die Zustimmung zu Europa löst sich in Nichts auf wie einst die Milliarden in den Büchern der Lehman Brothers.